Der EXIT-Komplex – Die Webseite zum Buch
Sound
of EXIT
Die Jukebox
zum Buch
Foto: Günter Schuler
Eine Frage, deren Stellung im Grunde etwas müßig ist. Denn: Sollte jemand den EXIT-Komplex verfilmen (entweder als Einzelstück oder in serieller Form), ist mein persönlicher EXIT-Sound sicher nicht mehr als eine nett gemeinte Anregung. Nichtsdestototz wurde Der EXIT-Komplex – auch – von Musik vorangetrieben; konkret: von Stücken, Bands und Interpret(inn)en, die ich während der Entstehungsphase teils extensiv gehört habe. Einige davon haben sogar in den Roman Einzug gehalten: ein abgehangener deutscher Alternativcountry-Schlager etwa, oder die französische Formation Nouvelle Vague. An der Stelle so wenigstens der Versuch, den »EXIT« mit etwas Sound anzureichern – und ein bißchen auch mit Romanschauplätzen und darin agierenden Personen zu verknüpfen.
Beginnen wir mit Jack White. White – und seine Vorgängerformation, die White Stripes – stehen auf der imaginären Playlist des mit Punk und Indierock sozialisierten Outlaws-wider-Willen Theo Schröder sicher ganz weit oben. Stimmungsbild, wenn da nicht mal gesunde Resilienz hervorscheint: I’m Shakin’.
Insbesondere für den ersten Buchteil ist ein stimmungsvoller Auf-der-Flucht-Titel geradezu unabkömmlich. Die Murder Ballad My Love For Evermore von der Schweizer Band The Hillbilly Moon Explosion zusammen mit Sparky verbreitet nicht nur punktgenaues Bonnie-and-Clyde-Ambiente. Mit ihr abgedeckt ist auch der Neben-Handlungsschauplatz Zürich.
Vor La France ein kleiner Schlenker – zu der belgischen Band Balthazar und Warhaus, dem Seitenprojekt von Balthazar-Sänger Maarten Devoldere. Love’s a Stranger nimmt nicht nur Bezug auf einen weiteren Romanschauplatz – das Land der Pommes und Pralinen. Um mich bezüglich einer meiner Best-of-Formationen etwas aus dem Fenster zu lehnen: Als Opener würde der Song auch den Film oder die Serie zum Buch 😉 angemessen grundieren.
Neben Frankreich gibt es im Roman einen weiteren handlungstragenden Ort: Berlin. K.I.Z hatte ich die letzten Jahre eher peripher auf dem Schirm. Ihr 2024er-Album Görlitzer Park hat es mir total angetan und mich definitiv ins Lager der K.I.Z-Fans gezogen. Passender Track zum Buch: Berlin wird dich töten.
Ohne französische Produktionen ergäbe ein Sound of EXIT wenig Sinn. Hier eine im Wohnzimmer-Format eingespielte Cover-Interpretation des britischen Indie-Duos Mary Tee & Bruce Brand. Jacques Dutronc und sein hier gecoverter 1960er-Titel Mini, mini, mini werfen einen retrospektiven Blick auf die Yé-Yé-Welle – doppelbödig-kritische Anmerkungen zur seinerzeitigen Minirock-Mode inklusive.
Les Rita Mitsouko hatten in den 1980ern fast im Alleingang eine Revolution losgetreten – respektive den Anschluss der französischen Rockmusik an New Wave sowie andere zeitgemäße Richtungen gestemmt. Marcia Baïla avancierte auch hierzulande zum Indie-Hit. Romanbezugtechnisch will der Song den halbseidenen Glamour-Faktor des Pariser Pigalle-Kietzes untermalen – er eignet sich jedoch auch gut für allgemeinnostalgische Erinnerungen, beispielsweise an (für viele in Deutschland mittlerweile unerschwinglich gewordene) Frankreich-Urlaube.
Die Tücken der Fernbeziehung – als Live-Duett hier in Szene gesetzt von Julien Doré & The Bash zusammen mit Nouvelle-Vague-Sängerin Mélanie Pain. Passt Helsinki zu Claudia Kopinski, der zweiten, ebenfalls ins Pariser Exil verschlagenen Roman-Hauptfigur? Gut möglich. Die Probleme jedenfalls, welche die Kombination aus Entfernung, Alltag und Sehnsucht zuverlässig nach sich zieht, scheinen recht universell zu sein.
Vielleicht passt Helsinki auch zu Joanne – meiner Lieblings-Nebenfigur im Roman. Als »Coloured«-Person gut finden (oder zumindest mit Interesse goutieren) würde sie vermutlich When We Move von dem US-amerikanischen Conscious-Rapper und Schauspieler Common. Der hier auch als Platzhalter fungiert für die Unmenge an guten Contemporary-Soul- und R&B-Stücken, die es – wie etwa Amy-Winehouse-Wiedergängerin Celeste oder auch Common-Kollegin Little Simz – nicht auf diese Liste geschafft haben.
Etwas zusätzliche Milieu-Untermalung? Die spanische Gruppe Estricnina zusammen mit der Neoburlesque-Interpretin Vinila von Bismark stehen hier für die unüberschaubare Vielfalt an Jenseits-des-Mainstream-Acts, die Tag für Tag in kleinen, mittelgroßen und manchmal auch größeren Clubs aufspielt. EXIT-Sound-Tipp hier: Corazón de Goma.
Ein Stück für die Schurken im Roman sollte unbedingt mit von der Partie sein. Brent Amaker aus Seattle mit seiner Formation The Rodeo gehört musikalisch zwar zu den Innovativen – also den Guten. Man in Charge zählt allerdings – ebenso wie die mit Amakers neuer Formation Deathsquad aufgenommene Neueinspielung von Iggy Pops Klassiker The Passenger – eher zu den musikalischen Geheimtipps als zu den Mainstreampop-Hitparadenerkletterern.
Als vorletztes ein Doppel: Die russischstämmige kanadische Singer-Songwriterin Michelle Gurevich ist – habe ich mir jedenfalls sagen lassen – auf den Privatparties osteuropäischer Oligarchen stark en vogue. Rachid Taha hatte ich – zusammen mit seiner damaligen Band Carte de sejour – im Frankfurter Sinkkasten gesehen; später stemmte er unter anderem Duette mit einer Überlebenden des französischen 1980er-Wave: Caterine Ringer von Les Rita Mitsouko. An der Stelle Here’s the Part und Ya Rayah – ein algerischer Hit von Dahman El Harrachi aus dem Jahr 1973 und 1997 von Rachid Taha neu aufgenommen.
Creedence Clearwater Revival und John Fogerty begleiten mich seit Urzeiten. Abschließend hier ihr Statement, dass alles nichts wert ist, wenn man nicht den Regen gesehen hat. Ein Plädoyer fürs Spießer-Dasein? Die Frage soll an der Stelle offen bleiben – mit dem Vermerk, dass vielleicht nicht der Wunsch nach einem sorgenarmen kleinen Glück falsch ist, sondern vielmehr die Hindernisse, die ebendiesem im Weg stehen. Bezug zum Roman: möglich, dass diese Haltung auf mehrere Figuren zutrifft.